va-Q-tec stellt seine Dämmstoffe unter anderem im thüringischen Kölleda her.
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Das Thema Energie treibt die Deutschen um. Im Mittelpunkt steht seit dem 24. Februar vor allem eine Frage: Wie kann man möglichst viel davon beim Heizen und Kühlen einsparen, um Kosten zu senken und die Umwelt zu schonen? Eine besonders effektive Methode ist eine gute Dämmung, erzählt Joachim Kuhn im "Klima-Labor" von ntv. Das sei fast immer die effizienteste Lösung. Der Physiker ist Gründer und Chef von va-Q-tec und stellt Vakuum-Isolationspaneele her. Die sind vor allem durch den eisigen Transport von Corona-Vakzinen bekannt geworden, das Potenzial der Thermoskannen-Technologie sei aber fast unbegrenzt, sagt Kuhn - egal ob Haus, Kühlschrank oder Wärmespeicher. Man muss nur eine große Hürde überwinden: die hohen Kosten.
ntv.de: Was bedeutet va-Q-tec? Das ist ja ein eher ungewöhnlicher Name.
Joachim Kuhn: Das steht für Vakuum, Qualität, Technik. Diese drei Wörter beschreiben auch, was wir machen. Unsere Vakuumdämmpaneele dämmen etwa zehnmal besser als herkömmliche Dämmstoffe. Daraus bauen wir unter anderem Thermoboxen und Thermo-Container, die eine Temperatur sehr lange halten können.
Joachim Kuhn ist Diplom-Physiker und hat zur Physik der thermischen Isolierung promoviert. 2001 gründete er im Stammsitz Würzburg va-Q-tec.
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Genau. VIP. Aber nicht very important person, sondern very insulating panels.
Solche Dämmmaßnahmen werden aktuell immer relevanter. Erklären Sie bitte einmal kurz, wie man mit Vakuum isoliert.
Das Prinzip ist bekannt von der Thermoskanne. Auch dort ist ein Vakuum für die gute Isolation verantwortlich. Wir machen das seit etwa 20 Jahren in Plattenform, die nach dem Prinzip der Thermoskanne in vielen industriellen Bereichen eingesetzt werden kann.
Und für diejenigen, die nicht wissen, wie ein Vakuum funktioniert: Was genau passiert in der Thermoskanne?
Die Luft wird aus einem Zwischenraum herausgesaugt, er wird luftleer gepumpt. Dadurch kann keine Wärmeübertragung mehr über die Luft stattfinden und es entsteht eine gute Isolierung. Genau das Gleiche machen wir mit Platten.
Und das funktioniert auch ohne Flasche?
Ja. In so einer Platte braucht man allerdings einen Stützkörper. Durch das Vakuum lastet nämlich der ganze Luftdruck auf dieser Fläche. Wir sprechen von 10.000 Kilogramm pro Quadratmeter. Das müssen Sie irgendwie auffangen. Wir nutzen einen Stützkörper, darum kommt eine luftdichte Vakuumhülle. Dann wird das Ganze als Platte produziert und ausgeliefert. Viele denken übrigens, der Zwischenraum ihrer Fenster wäre evakuiert, also luftleer. Das funktioniert aber nicht, weil die Scheibe kollabieren würde.
Jetzt gibt es Thermoskannen ja schon etwas länger. Wie sind Sie darauf gekommen, daraus Dämmplatten zu bauen?
Ein Vakuum-Isolationspaneel, wie die Dämmplatten von va-Q-tec heißen, kostet drei- oder sogar viermal so viel wie konventioneller Dämmstoff. Langfristig spart man damit aber trotzdem Geld, sagt Joachim Kuhn.
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Wir haben am ZAE Bayern, einem Institut an der Universität Würzburg, die Physik der Dämmung untersucht und festgestellt, dass Vakuum in Plattenform eine tolle Art zu Dämmen wäre. Das gab es bis dahin nicht. Die Thermoskanne wurde 1904 in Berlin erfunden. 100 Jahre später haben wir als erste so eine Platte hergestellt und vertrieben. Das ist technisch deutlich aufwendiger als eine Thermoskanne, weil man das Vakuum gegebenenfalls für viele Jahrzehnte in diesen Platten halten muss. Aber das beherrschen wir.
Und das rechnet sich für va-Q-tec?
Mal schauen. Dieses Jahr haben wir rechtzeitig zum 20-jährigen Jubiläum die Grenze von 100 Millionen Euro Umsatz überschritten. Wir hoffen, dass wir in den kommenden 20 Jahren noch zulegen können.
Für wie viel dieses Umsatzes war Biontech verantwortlich? Das dürfte ja Ihr bekanntester Kunde sein.
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Ich kann nicht über einzelne Kunden sprechen und das auch so nicht bestätigen. Wir haben viele Kunden aus der Pharma- und Biotech-Industrie und generell vergangenes Jahr 20 Prozent unseres Umsatzes mit dem Transport von Corona-Vakzinen verdient. Wir waren praktisch für fast alle globalen Vakzin-Hersteller in großem Umfang tätig. Teilweise haben wir sicherlich die Hälfte des internationalen Vakzin-Transports in unseren Boxen und Containern durchgeführt.
Aber Sie sind der breiten Öffentlichkeit durch die Zusammenarbeit mit Biontech bekannt geworden, weil das am Anfang der Impfkampagne das große Problem war: Das Vakzin muss bei extrem niedrigen Temperaturen transportiert werden. Wie kriegt man das hin?
Wir haben natürlich unseren Teil zur internationalen Impfkampagne beigetragen, weil wir mit unseren Dämmplatten Boxen und Container gebaut hatten, die über fünf bis zehn Tage konstant eine Temperatur halten können, ganz egal welche: Raumtemperatur, kühl wie im Kühlschrank, 5 Grad, minus 20 Grad, minus 40 Grad, minus 60 Grad oder auch minus 70 Grad. Das geht alles. Bei den Impfstoffen waren vor allem die tiefen Temperaturen gefragt. Bei denen wurden sie im Gegensatz zur landläufigen Meinung aber nur auf den großen Strecken transportiert. Auf der letzten Meile lag die Temperatur bei 2 bis 8 Grad, weil die Impfstoffe bei dieser Temperatur verimpft werden.
Und mit anderen Kühlboxen wäre das nicht gegangen?
Diese Technologie gibt es schon seit 15 Jahren, aber am Anfang der Corona-Pandemie waren wir fast die einzigen, die das sauber umsetzen konnten. Vor uns gab es keine Kühlboxen, die eine so tiefe Temperatur über eine lange Zeit konstant halten können - völlig autark, also ohne Energiezufuhr während des Transports. Deswegen sind viele Impfstoffhersteller zu uns gekommen. Jetzt ist das natürlich anders, weil diese Technologie stark nachgefragt wurde.
Was passiert denn, wenn man statt Ihrer Boxen andere verwendet? Vielleicht diese klassische Styroporbox aus dem Supermarkt, wenn man sie mit Trockeneis befüllt? Oder diese Kühlbox, die man mit ins Strandbad nimmt?
Das sind beides keine Alternativen, egal wie viel Trockeneis Sie hineingeben. Sie können die gewünschte Temperatur damit nicht fünf bis zehn Tagen halten. In Bayern hat man ja anfangs vier Campingboxen für den Transport verwendet und es hat direkt zu Ausfällen geführt.
Aktuell stellen wir fest, dass eine gute Dämmung nicht nur für Medikamente wichtig ist, sondern auch, um Energie zu sparen. Sie sagen, dass es riesige ungenutzte Potenziale gibt?
Ja. Vakuum-Dämmplatten funktionieren nicht nur als Thermobox sehr gut, sondern auch in vielen anderen Anwendungen. Es gibt zum Beispiel einen großen Markt bei Kühl- und Gefrierschränken. Wenn Sie in hohe Effizienzklassen vorstoßen wollen, geht das eigentlich nur mit Vakuum-Dämmplatten. Falls Sie einen Kühlschrank der Effizienzklasse AAA+ besitzen, befinden sich wahrscheinlich schon va-Q-tec-Platten in Ihrer Küche.
Ähnlich sieht es beim Warmwasserspeicher im Heizungskeller aus. Auch die werden mittlerweile oft mit Vakuum gedämmt, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Typischerweise steigt die Effizienz im Kühlschrank oder beim Wasserspeicher um 50 Prozent, Sie verbrauchen also 50 Prozent weniger Energie. Das ist enorm. Wir sind in all diesen thermischen Bereichen zugegen und versuchen, unsere Technologie einzubringen.
Das klappt auch mit Häusern im Winter? 50 Prozent weniger Gasverbrauch beim Heizen klingt verlockend.
Häuser können wir auch dämmen, aber das klappt auch ganz wunderbar mit konventionellen Dämmstoffen.
Das ist wahrscheinlich eine Preisfrage?
Ja. Unsere Platten sind pro Quadratmeter drei- bis viermal teurer. Wenn Sie nur auf die Effizienz gucken, kommen Sie am Ende aber wieder günstiger weg. Auf jeden Fall kann man unsere Platten gut im Häuserbau einsetzen.
Auch bei großen Bürogebäuden?
Der Grand Tower in Frankfurt wurde 2020 fertiggestellt und verfügt über 413 Eigentumswohnungen auf 47 Etagen.
Selbstverständlich geht das auch in großen Bürogebäuden oder Hochhäusern. Der Grand Tower in Frankfurt ist das größte Wohngebäude in Deutschland. Wir haben ganze Bereiche der Fassade, die nicht transparent, also aus Glas sind, mit Vakuumdämmung gedämmt, um Platz zu gewinnen. Das führt am Ende auf das gesamte Gebäude gerechnet zu enormen Einsparungen. Man setzt zwar den teureren Dämmstoff ein, gewinnt aber viel Platz und hat am Ende des Tages eine positivere Energiebilanz.
Wie gut stehen wir in Deutschland beim Dämmen denn aktuell da?
Das Potenzial ist fast unbegrenzt. Sie können alle Immobilien, Häuser und Zimmer dämmen. Da kann man noch sehr, sehr viel machen.
Das heißt, bisher hat man das nicht gemacht? War die Energie zu billig und man hat gesagt, Dämmung ist nicht so wichtig?
Genau. Eine Dämmung hat sich in der Vergangenheit oft nicht gerechnet, weil die Energiepreise so günstig waren. Wenn sich das ändert, müssen sie für jeden Bereich eine neue Rechnung aufstellen. Die wird in vielen Fällen deutlich zugunsten der Dämmung ausgehen. Ob Haus oder Kühlschrank, eine Dämmung ist eigentlich immer die effizienteste Lösung.
Wenn man das im Gebäudebereich großflächig angehen wollen würde, von welchem Zeitplan redet man da? Einige Jahre werden wahrscheinlich nicht reichen, oder?
Beim Baubestand sprechen wir über Jahrzehnte. Die Handwerker allein haben ja limitierte Kapazitäten. Sie bräuchten die Materialien dafür. Das zieht sich durch. Wir reden nicht von einer schnellen Lösung, aber das gilt für andere Lösungen auch.
Aus welchen Materialien bestehen Ihre Platten eigentlich? Sie hatten vorhin gesagt, dass sie unglaubliche Kräfte aushalten müssen, um dieses Vakuum halten zu können.
Wir verwenden in vielen Fällen ein Silika-Material. Das ist sehr, sehr feiner Sand mit der chemischen Formel SiO2. Das ist dieselbe wie von Sand oder Glas. Dieser Mikrosand wird zu Platten verpresst und dient als Stützkörper.
Ist das ein schwieriger Rohstoff, der nicht mehr so einfach zu bekommen ist? Das ist ja gerade in der Bauindustrie ein Riesenthema. Es gab mal Berichte über Sandkriege und eine Sandmafia.
Silika ist ein industriell hergestellter Sand, der nicht abgebaut wird, wenn Sie so wollen. Dieser Mikrosand entsteht bei Herstellung von anderen Produkten. Zum Beispiel bei der Herstellung von Solarzellen, um einen Prozess zu nennen.
Das sind also Überreste, mit denen Sie arbeiten?
Als Überreste würde ich das nicht bezeichnen. Es ist ein Beiprodukt. Auch das hat seinen Wert und kostet etwas.
Kann man das denn wiederverwenden?
Bei uns können alle Materialien und alle Paneele recycelt werden, das sind wertvolle Materialien. Wenn das aus einem verbrauchten Kühlschrank zurückgeliefert wird, freut uns das.
Und diese Dämmplatten könnten Sie auch zurücknehmen und in anderen Gebäuden verbauen?
Wenn man die zurückliefert, können wir das sehr gut recyceln und zu über 90 Prozent für neue Platten wiederverwenden.
Das ist noch ein recht junges Geschäftsfeld. Wir beliefern den Bau erst seit einigen Jahren. Da gibt es noch nicht viel Recycling-Anteil. In den anderen Bereichen schon.
Was sind denn aktuell die Ihrer Meinung größten Hürden beim Dämmen?
Die Hürde ist immer der Preis, auch in der konventionellen Dämmung. Wenn Sie das gesamte Gebäude dämmen wollen, kostet das etliche zehntausend Euro. Die müssen Sie natürlich finanzieren. Und wie gesagt, wenn es in Engstellen oder Nischen geht, in die Super-Dämmung, kostet es pro Quadratmeter das Dreifache oder Vierfache. Das löst aber auch viele Probleme und hat viele Vorteile.
Gibt es denn einen Bereich, bei dem Sie sagen, dort müssen wir unbedingt ran? Dort wird super ineffizient gedämmt?
Kühlfahrzeuge sind sehr schwierig im Umgang mit Energie.
Die Fahrzeuge, die tiefgekühltes Essen liefern?
Ja, tiefgekühlte Ware oder auch nur gekühlte Ware. Diese Fahrzeuge erhalten nur mit sehr vielen kleinen Tricks ihre Zulassung. Es gibt ja Auflagen dafür. Unter normalen Umständen müsste man die dringend besser dämmen. Vor allem, weil der Bereich der gekühlten Waren immer mehr zunimmt. Da ist für den Gesetzgeber dringender Handlungsbedarf geboten. Derzeit ist es sogar so, dass Kühl-LKW, die in Frankreich nicht mehr fahren dürfen, stattdessen in Deutschland verwendet werden. Das ist eine Industrie, der muss man wirklich sagen: Die Möglichkeiten sind da, ändert das.
Mit Joachim Kuhn sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch ist zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet worden.
Was hilft gegen den Klimawandel? "Klima-Labor "ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen und Behauptungen prüfen, die toll klingen, es aber selten sind. Klimaneutrale Unternehmen? Gelogen. Klimakiller Kuh? Irreführend. Kunstfleisch? Das Grauen 4.0. Aufforsten im Süden? Verschärft Probleme. CO2-Preise für Verbraucher? Unausweichlich. LNG? Teuer.
Das Klima-Labor - jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+ Musik, Apple Podcasts, Amazon Music, Google Podcasts, Spotify, RSS-Feed