Ronya Othmann über den früheren Wasserreichtum in Syrien

2023-01-05 15:31:50 By : Ms. Cherry Chen

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Die Schriftstellerin Ronya Othmann Bild: akg-images / Susanne Schleyer

Warum Wasserbecher aus Plastik mit Alu-Deckeln in den kurdischen Gebieten ein Symbol sind. Und: Wann hat das Wasser angefangen, vom Segen zur Bedrohung zu werden? Ein Gastbeitrag.

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W ie fremd einem das Vertraute manchmal erscheint, wenn es in einer anderen Form daherkommt. Ich will von einem Phänomen erzählen, das mich, wenn ich in Kurdistan bin, wieder und wieder beschäftigt. Es ist keine große Sache. Im Grunde ist es ganz banal, denn es handelt sich um Wasser in Plastikbechern mit Aludeckel. Manch einer mag das vielleicht auch aus dem Flugzeug kennen, diesen Becher, den man aufreißt, mit einem Schluck austrinkt, ehe er von einer Flugbegleiterin mit einem großen Plastiksack eingesammelt wird.

Natürlich gibt es auch in Kurdistan Wasser in Plastikflaschen oder Kanistern. Man trinkt Wasser aus dem Glas oder der Tasse. Aber diese Plastikbecher sind schon so sehr Alltagsphänomen geworden, dass sie nicht mehr irritieren. Dass man kaum Notiz davon nimmt, wenn man in einem Wohnzimmer, Café oder Besprechungsraum sitzt und jemand ein Tablett hereinträgt, auf dem ein paar eisgekühlte Wasserbecher stehen.

Und egal, wen man fragt, dieses Wasser-in-Plastikbechern-Phänomen kann einem keiner erklären. Kurdistan – nicht nur die Autonome Region Kurdistan im Irak, auch die anderen kurdischen Gebiete, in Syrien, Türkei und Iran – ist berühmt für seinen Wasserreichtum. Das Zweistromland Mesopotamien – das Land zwischen Euphrat und Tigris, mitsamt all ihren Nebenflüssen und -armen wie dem Chabur, Zab, Diyala. Dieses Land, wo schon 6000 v. Chr. Bewässerungskanäle für die Landwirtschaft gegraben wurden. Wo die Menschen ihre Städte an den Flüssen errichteten, Zivilisationen entstanden, die erste Schrift.

Das Wasser gräbt sich durch Landschaften, es schiebt sich, sickert, rinnt. Es tritt über die Ufer, schwemmt. Sedimente setzten sich ab. Das Wasser beschreibt die Landschaft. Die Flüsse haben ihre Verläufe die Jahrtausende über so oft geändert, Nebenarme sind entstanden und wieder verschwunden, dass man heute kaum mehr weiß, wo sie einst geflossen sind. Das Wasser hat seine Spuren hinterlassen in Namen, Liedern und heiligen Texten.

Und auch heute noch führt so gut wie jeder Ausflug in Kurdistan ans Wasser. Man fährt an einen der zahlreichen Wasserfälle, picknickt an den Ufern der Flüsse unter Bäumen oder Weinreben. Man sitzt in den Cafés, trinkt Tee und sieht aufs Wasser. Am liebsten im Frühling, wenn es in Sturzbächen aus dem Gebirge fließt. Wie lebt es sich mit dieser Fülle, diesem Überschwang von Wasser? Wenn es einem wie die Sonne als eine nie zu erschöpfende Quelle erscheint? Ende der Achtzigerjahre haben meine Großeltern auf ihrem Grundstück einen elektrischen Brunnen gebaut. Das ganze Kanistergeschleppe quer durchs Dorf fiel weg. In ihrem Haushalt, so wie ich ihn (in den Neunzigern und Nullerjahren) kannte, hat man einmal täglich jeden Raum gewischt. Wobei gewischt es nicht ganz trifft. Die Teppiche, die Matten, die Kissen wurden aufgehoben, eingerollt, weggeräumt. Dann ein großer Eimer Wasser ausgekippt, das Wasser zu einer Öffnung in der Außenmauer gekehrt, wo es hinaus ins Freie, in die oberirdische Kanalisation des Dorfes floss.

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